Für die Oktoberausgabe des SWmagaz.in haben wir uns einem traditionellen „toter Baum“ Medium gestellt und alle Klarheiten beseitigt. Das Interview findet Ihr komplett hier. Die Ausgabe SWmagaz.in findet Ihr hier.
Küchenplaudereien
Ist ein Podcast eigentlich ein eigenes Medium? Eigentlich ist ein Podcast zu allererst mal ein ganzer Haufen Daten, egal ob Audio- oder Videodaten, also Ton oder Bewegtbilddaten. In gewisser Weise sind Audiopodcasts mit Radiosendungen irgendwie verwandt und Videopodcasts mit dem ‚guten alten‘ Fernsehen. Zwei, die jetzt schon geraume Zeit auf dieser Medienklaviatur spielen, haben sich in der Küche getroffen. In der Küche treffen sie sich ohnehin fast jeden Mittwoch, nämlich um ihren gemeinsamen Podcast ‚Schweinfurtundso‘ zu produzieren. Ein Medien-Produkt mit regionalem Anspruch. Wir haben das Gespräch oldschoolmäßig einfach mal mitgeschrieben.
Alexander von Halem, im Hauptberuf ‚Schlossherr‘ von Schloss Zeilitzheim, hat 2007 mit seinem Schlossblog angefangen und berichtet der Netzgemeinde ziemlich regelmäßig über seinen Alltag im Schloss. Florian Kohl ist seit 2008 Geschäftsführer der Revista Verlags GmbH. In ihrer knapp bemessenen Freizeit haben sich die beiden zusammengetan, um den Podcast ‚Schweinfurtundso.de‘ zu produzieren.
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Blog, Podcast und einer Radiosendung?
Alexander: Wenn man etwas schreibt, ist man immer am Verfeinern und Korrigieren. Beim Podcasten redet man frei von der Leber weg, es wird nachträglich nicht geschnitten und verfeinert.
Florian: Kommt immer auf den Stil an, man kann auch ein Interview machen mit konkreten, vorbereiteten Fragen. Unterschied zwischen Radiosendung und Podcast ist: Generell ist ein Podcast ja eine Radiosendung, die du dir im Internet runterladen kannst.
Alexander: …und dann hören kannst, wenn du Lust hast. Du bist nicht an die Liveübertragung, also an den Sendzeitpunkt gebunden. Das Runterladen ist im Gegensatz zum früher gewohnten Mitschnitt jederzeit möglich.
Florian: Das was die Radiosender als Podcast verkaufen ist ja eigentlich auch nur ein Sendungsmitschnitt.
Gibt es auch aus kultureller Sicht einen Unterschied zwischen Podcast und einer Radiosendung?
Florian: Wenn du den Anspruch des ‚Elfenbeinturm-Journalismus‘ meinst, der bei einem Radiosender zu herrschen hat und beim Podcast nicht?
Alexander: Man kann auch als privater Amateur so anspruchsvoll arbeiten wie man will. Aber irgendwie ist ein Podcast halt schon irgendwie eher ein bürgernahes Medium, weil jeder ohne große Hürden und ohne große Technik einen Podcast produzieren kann. Wir haben hier jetzt schon gehobene technische Ausstattung, einfach um uns das Leben technisch zu erleichtern und durch einen professionellen Standard Kompetenz zu zeigen. Es würde, wie bei uns am Anfang auch, ein kleines Diktiergerät oder ein USB-Micro für den Computer ausreichen, um einen Podcast zu machen und den dann online zu stellen. Das bedeutet, dass dieses Medium eigentlich für jeden zugänglich ist. Wir machen das eigentlich bewusst nicht so technisch überproduziert, verzichten auf Einblendungen und auf einen Schnitt, um einfach authentische Gespräche und Gesprächsrunden rüberzubringen, dass auch unsere Gäste sich im Gespräch wohlfühlen und nicht von Technik und technischen Anforderungen erschlagen werden.
Ist ein Podcast damit ein eigenständiges Medium?
Florian: Es ist ein Teil, eine Form des Mediums Internet, genauso wie ein Blog.
Alexander: Das Problem mit dem Podcast ist, dass das Wort von vielen nur mit dem iPod assoziiert wird. Viele Amerikaner, die das professionell machen und ihren Lebensunterhalt damit verdienen, nennen das heute ‚Netcast‘. Das kann Video oder nur Audio sein, das kann aber auch eine vertonte Bildershow sein. Das Produkt kann man heute nicht nur auf dem iPod hören sondern mit jedem Computer im Netz herunterladen und zu beliebiger Zeit anhören oder ansehen.
Welche Aussichten hat der Podcast, sich in den Reihen der etablierten Medien einzuordnen, wird das überhaupt mal ein etabliertes Medium?
Florian: Es ist halt ein Medium wie jedes andere auch, es ist eine von vielen Transportmöglichkeiten deiner Nachrichten.
Alexander: Hängt davon ab, ob du eine Gefolgschaft findest, die du ansprechen kannst. Ob das ein YouTube-Video ist, ein Blog, eine Zeitschrift, du brauchst Leute, die dir zuhören, dich lesen oder deinen Film anschauen, du brauchst Einschaltquote.
Florian: Du legitimierst dich durch deine Zuhörer.
Jetzt hat ja ‚Schweinfurtundso.de‘ für die Kürze der Zeit verhältnismäßig viele Zuhörer, oder?
Florian: Wir haben Folgen dabei, die die 500 überschritten haben, was die reinen Downloads angeht. Insgesamt haben wir, heute nach dem 23. Podcast, einer davon war in vier Teile aufgeteilt, dh. wir haben eigentlich 27 Podcasts produziert und ins Netz gestellt, schon mehr als 5.000 Leute, die das herunter geladen haben.
Alexander: Das unterschiedliche Interesse von Folge zu Folge hängt vom Thema ab und natürlich auch vom Gast.
Das ist ja für einen immer kleinzelliger werdenden Medienmarkt doch ganz schön viel, zumal wenn man das regional betrachtet?
Florian: Wir freuen uns auch darüber, vor allem weil es ein Medium ist, das im Gegensatz zu den traditionellen Medien, wie Zeitung, Gemeindeblatt, wie Magazin oder so, einen ziemlich großen Rückkanal hat. Ab 500 Hörern., das ist jetzt live gerechnet, wären wir Radio und dürften nur mit einer Sendelizenz der BLM weitermachen. Auch wir haben schon zweimal live gesendet. Dabei haben wir solche Zahlen noch nicht erreicht, das kommt daher, dass wir diese Livesendungen nur eine halbe Stunde vorher im Netz angekündigt haben. Man hört immer wieder von den Hörern, die irgendwas dazu zu sagen haben. Das Feedbackpotenzial ist weitaus höher als bei einem reinen Weblog. Alle Reaktionen sind übrigens bisher sehr positiv.
Alexander: Das Lob trifft bis jetzt ausschließlich die Inhalte, es kommen immer irgendwelche Kommentare zu jeder Folge. Es kommt gelegentlich auch mal Kritik, wenn das Thema einer Folge z.B. den Geschmack eines Hörers nicht trifft.
Florian: Alle Reaktionen sind im Gegensatz zu anderen Gepflogenheiten im Netz sehr unaufgeregt. Wenn einem mal was nicht gefällt, ist es in unserem Falle so, dass dort ganz konkrete Vorschläge kommen, dass auch mal Themen vorgeschlagen werden und Personen die wir mal in unser Küchenstudio einladen sollen. Wir haben am Anfang befürchtet, dass uns schnell die Gesprächspartner ausgehen könnten, heute ist das Gegenteil der Fall. Wir haben immer eine Liste von Leuten, die wir, obwohl wir sie fleißig abarbeiten, jede Woche eigentlich länger wird.
Alexander: Ursprünglich wollten wir einmal im Monat podcasten, jetzt sind wir bis auf wenige Ausnahmen bei einem wöchentlichen Zyklus.
Wie schwer ist es, an interessante Gesprächspartner zu kommen?
Florian: Das ist unterschiedlich. Der eine fragt, was hab ich davon, bei euch vor‘s Mikro zu kommen, manche haben sogar schon nach Mediadaten gefragt, um die Werbewirksamkeit ihres Auftrittes abschätzen zu können. Die meisten kommen aus Spaß an der Freud zu unserer Privatveranstaltung. Wir machen das ohne Sponsor oder irgendwelche finanzielle Unterstützung. Manche, auch öffentlich bekannte Persönlichkeiten, haben spontan zu gesagt, obwohl sie von unserem Podcast noch nichts gehört haben.
Alexander: Bei unserem Gast Margit Appleton z.B. habe ich zufällig am Morgen auf Twitter mitbekommen, dass sie an diesem Tag nach Schweinfurt fährt. Sie hat einen Blogartikel geschrieben über Literatur fränkischer Autoren. Hab sie dann gleich angetwittert, ob sie nicht Lust hätte bei uns im Küchenstudio vorbei zu schauen. Spontan hat sie zugesagt und so haben wir eine spannende Folge zu einem interessanten Thema im Netz gehabt. Ihr persönlich hat das sehr viel Spaß gemacht.
Wie kann das in Zukunft weitergehen?
Florian: Es wird definitiv mehr Videopodcasts geben, was heute schon abzusehen ist.
Alexander: Das Medium ist schnell, mit Abstrichen an die Sendequalität gegenüber dem traditionellen Fernsehen.
Florian: Ich glaube aber auch, wenn sich der Hype mit den selbst-ernannten Socialmedia-Experten mal gelegt hat, die in Scharen in dieses Medium rennen, überproduzierte ‚Werbehörspiele‘ abliefern und das Ganze für teueres Geld als Dienstleistung an den Mann bringen wollen, wird Podcast ein ernst zu nehmendes Medium.
Alexander: Manche denken halt, sie müssten Fernsehen oder Radio nachmachen. Das ist es nicht, es ist mehr so ein Nischenmedium, wobei die Nische auch ziemlich groß sein kann, wie Beispiele aus Amerika zeigen. Die Nischen sind auch das größte Potenzial, nicht nur vom Podcast, auch von anderen publizistischen Formen im Netz, wie z.B. Bloggen. Egal wie klein der Anbieter auch ist und wo er sitzt, kann er seine Interessenten, die überall auf der Welt verteilt sein können, über das Netz erreichen.
Wie glaubt ihr, dass sich die Medien allgemein in Zukunft entwickeln?
Alexander: Es wird sich immer mehr auf die Nischen und auf das Lokale verlagern, spezialisiert und personifiziert, auf jeden Einzelnen speziell zugeschnitten. Jeder wird sich in Zukunft die ihn interessierenden Teile herausziehen können und auch vom Angebot her wird es immer mehr auf einzelne Segmente gehen. Mit einem Medium alle erreichen wollen und hoffen, dass da viele kleben bleiben, das wird wegfallen.
Florian: Es wird sich unterteilen nach Interessensgebieten, was jeder hören, sehen, lesen will, der Inhalt wird in einer beliebigen Darreichungsform präsentiert.
Alexander: Das wird sich ohnehin immer mehr vermischen, Audio, Video und Print. Je mehr Printinhalte online zugänglich werden, desto mehr werden die Formate sich vermischen. Das wird sich auch auf die Werbung übertragen. Wer einen allgemeinen Artikel liest, bekommt darauf abgestimmte Werbung dazu angeboten, die lokalen Bezug hat. Beispiel: BMW stellt ein neues Automodell vor, im Netz werden Filme, Texte, Fotos gezeigt, der lokale BMW-Händler schaltet seine ‚Anzeige‘ dazu mit seinen Preis- und Finanzierungsangeboten. Auch vom Inhaltlichen, Kulturellen wird das spezialisiert auf den Einzelnen sein.
Kann sein, dass der Online-Hype überbewertet wird von solchen technikaffinen Menschen wie den beiden Schweinfurtundso.de Podcastern?
Alexander: Wir sind davon noch richtig begeistert, für die Kids heutzutage ist es ganz normal, dass es das ganze Zeug gibt. Für uns sind das Möglichkeiten, von denen wir in unserer Kindheit noch nicht einmal geträumt haben.
Florian: Es hat auch damit zu tun, die Bereitschaft vom Konsumieren zum Kreieren zu ändern. In der Schule wird heute noch der Frontalunterricht gepflegt, Selbermachen ist erst in den höheren Jahrgangsstufen gefragt. In den Computerräumen stehen irgendwelche Kisten, die nicht unbedingt aktuell sind. Höchstselten ist es für die Schüler erlaubt, irgendwelche Internetauftritte selber zu basteln. Die Lehrer haben mit ihren vorgegebenen Lernzielen ohnehin genug zu tun.
Braucht die Zukunft überhaupt noch einen Journalisten, einen Verlag? Bedarf es in Zukunft eigentlich noch einer Zwischenstufe bei der Informationsvermittlung?
Florian: Ich würde den Begriff ‚Journalist‘ nicht mehr benutzen, er ist dann eben ein Themenspezialist, ein Kurator, einer, der sich mit einem speziellen Thema besonders gut auskennt und von anderen Quellen Links an dich herantragen kann und sich als Koryphäe auszeichnet, der diese Dinge alle zu deuten weiß. Ein Verlag wird ein Raum voller Experten sein, die sich zusammentun mit Leuten, die für die Technik zuständig sind und die Medien, die ihnen zur Verfügung stehen, mit dem Expertenwissen zusammentragen, irgendwie bespielen, egal ob Print oder online.
Alexander: …und die die Rückkanäle, nicht nur im Sinne von Kommentaren auf einen Artikel, das ist immer noch old-school, im Sinne von Einarbeiten in die laufende Kommunikation einpflegen. Der Konsument wird immer mehr zum Produzent, macht selber Bilder und stellt sie ein, schreibt selber was zu diesem speziellen Thema, ähnlich wie heute bei Facebook.
Werden große Verlagshäuser wie Zeitungsverlage überleben?
Alexander: Wenn sie sich anpassen, ja, wenn sie so weitermachen wie bisher, werden sie Schwierigkeiten haben.
Florian: Du musst im Grunde bereit, sein dich als Verlag selber neu zu erfinden. Du darfst heute nicht mehr nur in deinem angestammten Medium denken, das behindert.
Alexander: Es ist nicht damit getan, den Content den man hat nur auf andere Weise zu präsentieren.
Florian: Dem Redakteur, der ohnehin zu einem Pressetermin geht, noch eine Videokamera in die Hand zu drücken, damit ist es nicht getan. Das hat mit Medienkonvergenz nichts zu tun. Das Wissen, wie man irgendwas am besten transportieren kann, ist Vorraussetzung, dass ein Bild je nachdem auch ergänzende Informationen haben kann, dass man mit Bildern, egal ob Stills oder Bewegtbild, gute Geschichten erzählen kann. Es wird den Universalisten geben müssen, der auf allen Tasten dieser Klaviatur gut spielen kann. Der Nutzer erwartet keine geleckte Hollywoodproduktion, er erwartet aber anständige Bilder, die ihn fesseln.
Alexander: Das größte Problem was ich sehe, ist, dass die Verlage Angst haben hinaus zu verlinken. Sie möchten den Leser, den Nutzer immer in ihren eigenen ‚Wänden‘ behalten. Das Verhalten der Menschen ist aber anders. Wenn du selber nicht über die Inhalte verfügst, sie selber nicht produzieren kannst, dann tust du gut daran, fremde Inhalte in deine eigene Seite einzubetten. Da gibt es heute ganz legale Möglichkeiten. Wenn du zuverlässig dem Leser faire Links und Infos bietest, wird er auch immer wiederkommen, vor allem wirst du dann regional als Informationshoheit angesehen.
Wie soll das weitergehen mit Schweinfurtundso.de?
Florian: Noch mehr Hörer noch mehr Folgen.